Richter Adams Fall auf Schwäbisch
Mühlhausen: Viel Beifall für das Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ bei den Freilichtspielen Mühlhausen

(rw) - Das Jahr über sind es die Stimmen der Schafe und Esel, die Zeugnis geben von der bodenständigen Kultur in den Hanfäckern oberhalb von Mühlhausen. Im Juli aber ändert sich seit zehn Jahren die Gattung der Kulturträger, denn dann gibt es dort Freilichttheater nach Mühlhäuser Art. Mit dem „Zerbrochenen Krug“ des Preußen Heinrich von Kleist haben die Stuttgarter Laiendarsteller nun dieses Jahr gewissermaßen den Aufstieg in die Liga der Staatstheater geschafft. Aber damit die Schauspieler die Bodenhaftung nicht verlieren, unterstützten am Samstagabend bei der Premiere die Schafe und die Esel lautstark die Klage der Frau Marthe über ihren kaputten Krug. Dieser Krug ist natürlich nicht nur ein Alltagsgegenstand, den die furios agierende und parlierende Maritta Bounin als Marthe Rull zum europäischen Kulturerbe hochjubelt, sondern symbolisiert als Trümmer-Teil den Amtsmissbrauch des Dorfrichters Adam. Der will die attraktive Eve (Claudia Weidmann) mit einem falschen Einberufungsbefehl für ihren Verlobten gefügig machen, wird aber von diesem überrascht, wirft bei der Flucht den Krug um, bekommt bei dem hastigen Abgang noch zwei heftige Schläge mit der Türklinke aufs Haupt und flüchtet hinkend nach Hause. Nun soll er unter Aufsicht des Gerichtsrats Walter den Krugzerstörer gerichtlich ermitteln. Das ist die Konstellation von Kleists Komödie - selbstverständlich auf Hochdeutsch. Norbert Laubacher hat diese in ein unterhaltsames Schwäbisch übertragen und jetzt als vergnüglichen Mundartschwank inszeniert. Mit Wolfgang Ruff hatte er einen exquisiten Dorfrichter zur Hand. Dieser Richter lebte sich so ungeniert aus im Zurechtbiegen der Wahrheit, Finden von fremden Sündenböcken für eigene Fehler, Jonglieren mit Rechtsgrundsätzen, unverfrorenen Drohungen und freundlicher Gastfreundschaft (die anderswo Bestechung hieße), dass nicht nur Dieter Mundt ungläubig den Kopf schüttelte. Als Gerichtsrat Walter stellte er mit Staunen fest, dass in Adams Kopf Wissenschaft und Irrtum zusammengeknetet seien wie in einem Brotteig. Mundt versuchte sanft aber beharrlich, beides wieder zu trennen. Dafür setzte er kommissarisch den Schreiber Licht ein, den Thomas Müller so opportunistisch gab, schwankend zwischen lachhafter Servilität und amtlicher Skrupellosigkeit, dass wohl auch in Zukunft alles beim Alten bleibt. Also wird sich das gemeine Volk auch weiterhin durchschlagen müssen wie bisher: die Mägde (Stefanie Vogel, Irene Probst) als dienstbar-fröhliche Freudenspenderinnen, Veit Tümpel und sein Sohn Ruprecht (Ewald Krautter, Bernd Rebhorn), indem sie sich kurz auflehnen, aber sich dann vorsichtshalber mit Kraftausdrücken abreagieren, und die Hebamme (Gertrud Frisch), die das Unrecht als Teufelswerk hinnimmt. Nur Eve ringt sich schließlich durch zur erlösenden Aussage gegen den schuldigen Richter. Dann folgte der wohlverdiente Beifall des Publikums. Weitere Vorstellungen bei den Freilichtspielen sind am 23./24. und 30./31. Juli und 6./7. August, 20.30 Uhr, Hanfäcker 5, Karten gibt es unter Telefon 12890243.

Artikel vom 21.07.2010 © Cannstatter Zeitung